Übervolle Güllelager: Ausnahmen zur Ausbringung bei akuter Gefahr „Not kennt kein Gebot“

Aufgrund der außergewöhnlichen hohen Niederschlagsmengen droht in vielen Regionen das Überlaufen von Wirtschaftsdüngerlagerstätten. Eine Aufbringung von Wirtschaftsdüngern zu Düngezwecken ist derzeit nicht zulässig. Im Falle einer gegenwärtigen Notsituation kann eine Ausbringung der Wirtschaftsdünger im Einzelfall ausnahmsweise zulässig sein.

Das Düngerecht selbst hält keine Möglichkeit bereit, eine Ausnahme zu den derzeit gültigen Aufbringungsverboten aufgrund der aktuellen Wetterlage auszusprechen. Rechtlich betrachtet, handelt es sich bei einer (akut notwendigen) Ausbringung nicht um eine Düngemaßnahme, sondern um eine Handlung zur allgemeinen Gefahrenabwehr, die aufgrund einer Notsituation notwendig sein muss. Deshalb sind hierfür die Unteren Wasserbehörden (i. d. R. örtlichen Kreisordnungsbehörden) zuständig, bei denen eine unvermeidliche „Not-Ausbringung“ anzuzeigen ist. Die Anzeige stellt keine Zulassung dar.

Um eine solche Not-Ausbringung rechtfertigen zu können, muss das Gülle/Gärrestlager unmittelbar vor dem Überlaufen stehen bzw. Tiere drohen, in ihren eigenen Exkrementen zu stehen. Dieser Schaden muss schwerer wiegen, als die Nachteile für die Gewässer (Grundwasser/Oberflächengewässer). Der Schaden für den Betrieb und/oder die Allgemeinheit muss umfassend dokumentiert werden (Fotos etc.). Weiterhin müssen alle möglichen Alternativen zu einer Not-Ausbringung erfolgslos geprüft und dokumentiert worden sein:

  • Alternative Lagerungsmöglichkeiten (insbesondere Nachbarschaftshilfe, Güllebörse, Nutzung von weiteren Lagebehältern, , Betriebshilfsdienst usw.)
  • Alternative Verwertungsmöglichkeiten (insbesondere Vergärung in Biogasanalagen, Verbrennung in geeigneten Anlagen, etc.)

Ist keine der vorgenannten Alternativen möglich, können Betriebe, nach Beratung durch die Kreisstellen der Landwirtschaftskammer NRW, eine Ausbringung zur Gefahrenabwehr bei der für Sie jeweiligen Unteren Wasserbehörde anzeigen. Die Anzeige muss parallel an die zuständige Kreisstelle der Landwirtschaftskammer NRW gehen. Eine Liste mit den Adressen der zuständigen Behörden findet sich hier:

Eine Anzeige muss unbedingt vor der Ausbringung erfolgen.

Es ist in jedem Fall sinnvoll, die Hilfe der Beratung der Landwirtschaftskammer in Anspruch zu nehmen. In der 2. Kalenderwoche ist für NRW flächendeckend Bodenfrost vorhergesagt. Die notfallmäßige Ausbringung könnte bevorzugt bei gefrorenem Boden erfolgen, da eine Befahrbarkeit der Flächen derzeit durch die hohe Wassersättigung nicht gegeben ist.

Die Anzeige an die zuständige Untere Wasserbehörde und der zuständigen Kreisstelle, hat die folgenden Informationen zu beinhalten:

  • Vollständige Adresse des Betriebes und weitere Kontaktdaten Betriebsinhaberin/ Betriebsinhaber (Telefonnummern, E-Mailadresse, Unternehmensnummer)
  • Standardformulierung: „Ich zeige hiermit eine Ausbringung von Wirtschaftsdünger/Gärresten nach § 8 (2) Wasserhaushaltsgesetz auf bewirtschafteten Flächen meines Betriebes zur akuten Gefahrenabwehr an. Ich habe das drohende Überlaufen der Lagerstäten durch geeignete Dokumentation (z.B. Fotos) nachvollziehbar dokumentiert und die Ausbringung auf das absolut zur Gefahrenabwehr notwendige Maß reduziert. Ich habe mich erfolglos um alternative Lagerungsmöglichkeiten bemüht (Nachbarschaftshilfe, Güllebörse, Nutzung von weiteren Lagebehältern, Betriebshilfsdienst usw.) und alternative Verwertungsmöglichkeiten (Vergärung in Biogasanalagen, Verbrennung in geeigneten Anlagen, etc.) geprüft und dokumentiert.“
  • Benennung (Eigenbenennung) und Adressen (falls abweichend zur Betriebsadresse) der betroffenen Lagerstätten
  • Dokumentation über die erfolglose Bemühung um alternative Lagerungsmöglichkeiten (Nachbarschaftshilfe, Güllebörse, Nutzung von weiteren Lagerbehältern, Betriebshilfsdienst usw.) oder alternative Verwertungsmöglichkeiten (Vergärung in Biogasanlagen, Verbrennung in geeigneten Anlagen etc.).
  • Angabe der Art des Wirtschaftsdüngers (Milchviehgülle, Sauengülle etc.) oder der Gärreste und geplante Gesamtausbringungsmenge
  • Angabe der Flächen auf die der Wirtschaftsdünger/Gärest aufgebracht werden soll (Gemarkung, Flur, Flurstück bzw. Feldblock, Schlagnummer), Kulturart, Ausbringungsmenge pro Hektar
  • Im besten Fall Benennung der Beraterin/ des Beraters der Landwirtschaftskammer
  • Datum und Unterschrift

Es handelt sich bei § 8 Abs. 2 WHG um eine absolute Einzelfallregelung. Die Unteren Wasserbehörden werden ggf. prüfen, ob tatsächlich die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 vorliegen bzw. vorlagen. Daher wird dringend empfohlen, den Notstand (Güllebehälter kurz vor dem Überlaufen usw.) gut zu dokumentieren und schon mit der Anzeige diese Dokumentation zu versenden.

Wenn die genannten Voraussetzungen vorliegen, sind in der Anzeige folgende Maßgaben zu berücksichtigen, um bei der Interessenabwägung im Rahmen der Notstandsregelung eine Rechtfertigung der Notausbringung begründen zu können:

  1. Die Ausbringung ist ausschließlich auf durchgängig bewachsenen Flächen, vorrangig auf Grünlandflächen (Keine Standweiden) vorzunehmen. Kulturen mit durchgängigem Bewuchs sind insbesondere Winterraps, Feldgras, Zwischenfrüchte und Grünland.
  2. Art und Menge der auszubringenden Wirtschaftsdünger/ Gärreste sind aufzuzeichnen. Die Gesamtausbringungsmenge ist auf das unbedingt erforderliche Minimum zu beschränken, um die akute Not-Situation abzuwenden (ggf. nur wenige Fässer). In jedem Fall dürfen nicht mehr als 10 m³ Wirtschaftsdünger pro Hektar ausgebracht werden. Bitte nehmen Sie Kontakt mit der Beratung der Landwirtschaftskammer auf, um die minimal mögliche auszubringende Menge zu bestimmen.
  3. Aufbringung ist ausschließlich auf ebenen Flächen vorzunehmen. Eine Aufbringung auf Flächen mit starker Hangneigung ist untersagt.
  4. Sind die im Notfall zur Verfügung stehenden Flächen vollumfänglich wassergesättigt, ist eine Ausbringung aus Gründen des Bodenschutzes gegebenenfalls bei Bodenfrost vorzunehmen.
  5. Ausbringung ist ausschließlich mit bodennaher Ausbringtechnik durchzuführen.
  6. Die notfallmäßige Ausbringung ist auf wassersensiblen Flächen (Wasserschutzgebieten), Überschwemmungsgebieten und auf mit Nitrat belastet und eutrophiert ausgewiesenen Flächenuntersagt.
  7. Zu oberirdischen Gewässern der I. und II, Ordnung sowie sonstigen Gewässer, Straßen- und Weggräben ist mindestens ein Abstand von 10 Metern einzuhalten.
  8. Auf Flächen mit Grüppen/Drainagen ist ein direkter Eintrag oder das Abschwemmen von Düngemitteln über Grüppen/Drainagen in Gewässer nicht zulässig.
  9. Die ausgebrachten Nährstoffmengen sind analog zu einer Aufbringung von Nährstoffen im Rahmen der Düngung bei der Düngeplanung der nachfolgenden Kulturen und der gesamtbetrieblichen Nährstoffbilanz zu berücksichtigen.
  10. Ein geeignetes Lagerraumkonzept für Wirtschaftsdünger gem. den Vorgaben im Verwertungskonzept auf Grundlage des Düngerechts (innerhalb der nächsten drei Monate) und fachrechtliche Prüfung durch die Düngebehörde ist vorzunehmen und zu dokumentieren.

Eine Not-Ausbringung ist ein allerletztes Mittel. Die zuständigen Behörden werden die Durchführung kontrollieren und eine unbegründete Not-Ausbringung kann ordnungsrechtliche ggf. sogar strafrechtliche Konsequenzen haben. Die zuständige Behörde kann weitere verbindliche Beschränkungen für die Not-Ausbringung aussprechen (§ 100 Wasserhaushaltsgesetz).